Von Sebastian Litta
Die WZB-Studie von Tina Baier und Marcel Helbig zu den ausbleibenden Abschreckungs-Effekten von Studiengebühren ist der bisher wichtigste Beitrag zur Diskussion um Studiengebühren. Sie leistet zwei bedeutende Dinge: Sie zeigt direkt, dass es keine signifikanten Abschreckungseffekte von Studiengebühren gab. Indirekt zeigt sie aber auch, dass die bisherigen Methoden zur Messung der Gebühreneffekte mangelhaft waren und dass Politiker sich allzu bereit auf die voreilig und scheinbar wissenschaftlich fundierten Aussagen anderer Studien verlassen haben, ohne deren Mängel zu verstehen oder kritisch zu hinterfragen.
Leider kommt die Studie aber fast schon zu spät, da nahezu alle Bundesländer die Gebühren schon wieder abgeschafft haben. Erste Reaktionen aus Nordrhein-Westfalen zeigen auch, dass man sich dort bei der aktuellen Planung zur Gebührenabschaffung nicht von Studien beeinflussen lassen will. Schon vor einigen Jahren sagte die Dortmunder Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags Ulla Burchardt, dass ihr Studien egal seien, ihr Bauchgefühl sage ihr, dass Studiengebühren abschrecken. Bauchgefühle können täuschen, das bestätigt sich jetzt wieder einmal.
Allerdings gab es auch schon länger Wissenschaftspolitiker, die damit zwar nicht zitiert werden wollen, aber zugaben, dass egal ob Abschreckung oder nicht, ihre Anti-Studiengebührenhaltung einfach ein sehr erfolgreiches Wahlkampfwerkzeug sei. Der Einfluss der Studie auf die politische Diskussion wird daher vermutlich recht gering bleiben.
Die Studie enthüllt auch das teilweise Versagen bisheriger Forschung zu den Effekten von Studiengebühren. In den USA gibt es seit längerem den Trend, dass sich methodisch gut ausgebildte Ökonomen mit bildungswissenschaftlichen Fragen beschäftigen, weil, so der etwas arrogant klingende Wirtschaftswissenschaftler Joshua Angrist, "die Fragen rund um unser Bildungssystem zu wichtig sind, um sie allein den Bildungswissenschaftlern zu überlassen". Das öffentlich finanzierte HIS in Hannover, das momentan stark in der Kritik steht, weil es angeblich die deutschlandweite Bewerbungsplattform hochschulstart trotz 15 Millionen Euro Budget nicht rechtzeitig hat aufbauen können, hat Studien zu den Effekten von Studiengebühren veröffentlich. Diese Studien sind von Politikern, Studentenvertretern und anderen als Argumentationshilfe genutzt worden. Gleichwohl hätten die HIS-Forscher wissen müssen, dass ihre Methodik keinerlei kausalen Zusammenhänge erkennen ließ.
Baiers und Helbigs Studie nutzt deutlich fortgeschrittene Messverfahren, perfekt sind sie jedoch auch nicht, wie fast immer in den Sozialwissenschaften. Sind echte Menschen involviert, kann es nie die Messgenauigkeit der Naturwissenschaften geben. So können die Autoren nicht ausschließen, dass es aufgrund der Studiengebühren erhöhte Wanderungsbewegungen in gebührenfreie Bundesländer geben könnte. Allerdings gibt es auch keinen Beweis dafür, dass dies passiert sei. Eine Hauptkritik ist schließlich, dass genau wie in den HIS-Studien nicht der wirkliche Studienantritt, sondern nur die Studierneigung untersucht wurde. Es ist wenig plausibel, aber nicht unmöglich, dass sich die geäußerte Studierneigung nicht geändert hat, dann aber doch kein Studium aufgenommen wurde.
Die Studie kann hoffentlich helfen, in Bayern und Niedersachsen etwas mehr Verstand in die Debatte um die Studiengebühren zu bringen. Gleichzeitig kann vielleicht dauerhaft das Niveau der bildungswissenschaftlichen Forschung erhöht werden. Beides wären großartige Ziele, daher ist die Bedeutung dieser Studie nicht hoch genug einzuschätzen.