Bildungspolitik vorerst ohne die CDU
Seit gestern ist es amtlich: Mit dem Amtsantritt der neuen rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen hat die CDU ihren letzten Kultusminister verloren. Bildungspolitik, die vor nicht allzu langer Zeit noch als christdemokratische Kernkompetenz galt, ist inzwischen zu einem ausgewachsenen Kompetenzdefizit geworden.
Das hat natürlich mit einer ganzen Reihe von Niederlagen zu tun, die die Partei in den vergangenen Jahren bei Landtagswahlen einstecken musste. Doch auch dort, wo man noch regieren darf, ist der Gestaltungswille in Bildungsfragen ausgesprochen mau. Immerhin stellt die CDU heute noch fünf Ministerpräsidenten und ist an zwei weiteren Landesregierungen beteiligt, das Bildungsressort liegt jedoch stets in anderen Händen. Meist hat man von vornherein zu Gunsten des jeweiligen Koalitionspartners auf das Kultusministerium verzichtet; und dort, wo – wie in Sachsen – der eigene Minister aus Protest gegen die knappe Finanzausstattung zurückgetreten ist, musste man auf parteilose Experten zurückgreifen.
Aus Mangel an Kompetenzträgern fällt es der Partei zunehmend schwer, in der Bildungspolitik eigene Akzente zu setzen. So ist es auch kein Wunder, dass sich nach dem Rücktritt von Annette Schavan nur eine CDU-Kandidatin als neue Bundesbildungsministerin aufdrängte: Johanna Wanka, soeben abgewählte Wissenschaftsministerin aus Niedersachsen. Allzu viel verändern wird sie ähnlich wie ihre Vorgängerin ohnehin nicht können. Denn Bildung ist in Deutschland bekanntlich Ländersache – und die lassen sich vom Bund selbst gegen Bares nur ungern in ihre Angelegenheiten reinreden. Nicht umsonst wurde erst kürzlich in durchaus ernstzunehmenden Medien eine Abschaffung des Bundesbildungsministeriums gefordert.
Der systematische und in großen Teilen selbst verschuldete Verlust an Einfluss auf den deutschen Bildungsdiskurs wiegt schwer für die Christdemokraten. Egal ob Inklusion, Kita- und Ganztagsschulausbau oder Studiengebühren: Längst sind Bildungsthemen regelmäßig zu beliebten Wahlkampfthemen geworden – und können durchaus wahlentscheidend sein wie Analysen zum letzten Urnengang in Niedersachen belegen. Unter Landespolitikern dominiert jedoch eher die Furcht: Mit Bildungspolitik, so lautet die weit verbreitete Überzeugung, seien keine Wahlen zu gewinnen, wohl aber zu verlieren. Doch wer keinen Bildungsminister mehr stellt, hat auch keinen Zugriff mehr auf die Heerscharen an kompetenten Beamten, die in der gelebten Praxis für die inhaltliche Kompetenz der Parteien in einem Politikfeld meist unverzichtbar sind. Das ist das Kernproblem, mit dem die CDU nun in der Bildungspolitik zu kämpfen haben wird.
Immerhin einen Vorteil hat der Wahlausgang in Niedersachsen für die Christdemokraten: Bislang gab es noch vor jeder Sitzung des Bundesrates ein Koordinationstreffen der unionsgeführten Bildungsministerien. Dieser Aufwand ist nun erst einmal verzichtbar. Denn der bayerische CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle wird wohl keine Selbstgespräche führen müssen, um sich seiner Positionen zu vergewissern. In Bayern wird im September ein neuer Landtag gewählt.
Von Ralph Müller-Eiselt